Das ewige Problem mit (werdenden) Eltern und selbstgerechter Transfeindlichkeit

Cat Harsis
6 min readJun 13, 2021

CW: Transfeindlichkeit, Fragilität

Photo by Juliane Liebermann on Unsplash (Besser als ein Bild von der Imlau als Thumbnail)

*** Update unten angefügt ***

Unter meinen Tweets, dazu wie das Gendern von Kindern vor dem Zeitpunkt ihrer Selbstbestimmung negativ auswirkt und als Praxis ohne Frage transfeindlich ist, haben sich nun Eltern eingefunden, die gerne über ihre Perspektive sprechen möchten.
Statt darauf im Einzelnen einzugehen möchte ich lieber über diese Art Reaktion reden, und wieso sie Teil des Problems sind.

Die Tweets

Share des original Tweets, unter dem sich alles gespielt hat

Ganz nach vorne ins Rampenlicht geschubst hat sich dabei die bekannte Erziehungsbuchautorin Nora Imlau (@planet_eltern), die dem Drang nicht widerstehen konnte sich zu melden und uns mitzuteilen, dass das ja gar nicht so einfach ist, dass Leute ja dann komische Fragen stellen, dass es natürlich besser ginge, aber dass sie ja schon mehr tue als andere, und dass die Verwendung von hegemonisch zugeschriebenem Geschlecht und Pronomen ja okay seien, wenn man offen dafür bleibt, dass das Kind vlt. doch trans ist. Dass sie hier den Begriff “trans Identität[sic]” verwendet gibt deutliche Hinweise darauf, dass sie sich diese Meinung nicht dadurch erarbeitet hat tatsächlich auf trans Menschen zu hören.

Nora Imlau’s ignorante Glanzleistung

Diese Tweets habe ich gesehen bevor ich schlafen gegangen bin (ja, um 15uhr, ich hab ne interessante Schlafstörung) und hatte mich schon geistig drauf vorbereitet auch hier wieder Aufklärungsarbeit leisten zu müssen, aber lieber ausgeruht als übermüdet. Als ich jedoch dann wieder aufstand und nach den Tweets sehen wollte, da waren sie weg. Erziehungsbuchautorin Nora Imlau hatte mich und Threaderstellerin, noch bevor wir ein Wort wechseln konnten, geblockt. Das sind doch beste Voraussetzungen für Jemand der so viele junge Eltern beeinflusst, nicht wahr?

Bild des Twitterprofils von Nora Imlau @planet_eltern von meinem Account aus aufgerufen, wo wir darüber informiert werden, dass ich von ihr geblockt wurde.
Wer sich so gut mit trans Kindern auskennt, der darf ruhig auch trans Erwachsene blocken, wenn diese von den Schäden ihrer Kindheit berichten. /S

Wer sich noch wundert, ja, das ist transfeindlich. Und ich hasse es besonders, wenn Leute so fragil selbstgerechte Scheisse unter meine Kommentare setzen und mich dann blocken. Ist vlt nicht wirklich Gaslighting, fühlt sich aber so an.

Jedenfalls ist das wirklich unter aller Sau, aber steht leider doch repräsentative dafür, wie (vor allem cis) Eltern (allen voran cis Mütter, da kommen wir noch drauf zurück) sich selbst ins Rampenlicht drängeln, wenn davon gesprochen wird wie das Gendern von Kindern vor dem Zeitpunkt ihrer Selbstbestimmung trans Kindern schadet und eine klare Reflektion der Geringschätzung von trans Kindern durch Eltern, egal ob nun bewusst oder nicht.

Denkt doch mal an die Eltern!

Für mich persönlich besonders belastend and dieser Dynamik ist, dass es a) immer gleich abläuft und b) sich die gleiche Dynamik jedes mal entfaltet, wenn Marginalisierte darüber sprechen, dass sie gerne besser behandelt werden wollen.

Und trans Kinder sind allein schon dadurch, dass sie Kinder sind marginalisiert, noch bevor es durchs trans sein kompliziert wird. Durch rassistische Zuschreibung, Behinderung und Neurodiversität wird das natürlich alles nur noch schlimmer und komplexer.
So oder so, die Machtverteilung steht hier niemals zu Gunsten des Kindes. Und doch fühlen sich Eltern irgendwie sofort unfair behandelt und haben das dringende Bedürfnis zu erklären, dass sie es ja auch nicht leicht haben. Denn das ist ja, was wir als erstes denken, wenn wir drüber sprechen, wie schwer es trans Kinder haben, dass die Eltern das leichteste Leben der Welt haben müssen, nicht wahr?/S

Leicht haben sie es in den meisten Fällen bestimmt nicht. Vor allem die Mütter nicht, speziell wenn alleinerziehend. Sexismus und absolut archaische Vorstellungen davon was man Müttern zumuten und von ihnen erwarten kann sind weiterhin ein riesiges Problem. Ein Problem über das sie auch sprechen sollten und bei dem wir ihnen zuhören sollten. Nur vlt nicht dann, wenn es gerade um Kinder geht. Dass sie es aber eben doch tun ist eine Dynamik die aus Dialogen und Diskussionen um Marginalisierung nur all zu bekannt und verhasst sind. Geht es um Rassismus spielen sich Weiße auf und wollen über sich reden, geht es um Behinderung sind es die “gesunden”, geht es um Frauen sind es die Männer, geht es um trans Menschen sind es cis Menschen, etc. Und wenn es um Kinder, speziell trans Kinder geht, dann sind es die Eltern die es nicht ertragen, dass es da gerade nicht um sie, sondern eher noch darum geht, wo sie Fehler machen.

Und ja, ich verstehe schon, Eltern, speziell Mütter, stehen unter oben erwähntem Druck und jede Kritik landet erst mal auf dem Haufen unter dem sie eh schon zu ersticken drohen. Nur ist es eben die Aufgabe der Eltern das zu managen und valide Kritik zum Kindeswohl nicht wie ungerechtfertigte Kritik überholter Gesellschaftsmodelle zu behandeln. Denn Kinder sind es nicht, die Verständnis für ihre Eltern haben müssen sollten, die zurückstecken müssen sollten um es ihren Eltern leichter zu machen. Aber es ist der Weg des geringsten Widerstands. Es ist einfacher sich gegen das Kind als gegen die Gesellschaft durchzusetzen. Und wenn man dafür kritisiert wird kann man sich immer auf den bereits so großen Druck durch die Gesellschaft von jeder Schuld reinwaschen. Oder man blockt halt unangenehme Stimmen.

Also bitte, liebe Eltern, sprecht darüber, macht Lärm, bringt das ins Bewusstsein, aber doch um Himmels Willen nicht immer nur dann, wenn es darum geht wie trans Kinder unter gegenderter Erziehung leiden.

Aber es gibt doch keine Alternativen!

Vor diesem Hintergrund wird schnell die weiße Fahne gehisst, und es heißt da gibt’s ja leider nix, da kann man ja leider nix machen, was hätten wir denn machen sollen?
Und diese Klagemonologe sind so häufig und so ausufernd, dass man fast darüber übersehen könnte, dass sie die gleiche Energie in Fragen an trans Menschen investieren hätten können wie bspw, was können wir tun, wie hättet ihr euch das gewünscht, etc. Weil, das mag jetzt überraschen, aber wir erwachsenen trans Menschen waren alle mal Kinder. Wir haben die nötige Erfahrung um zu wissen wie sehr sowas uns schadet und fast alle von uns hätten mindestens einen Vorschlag, der auch eure Situation berücksichtigt.

Aber das passiert so gut wie nie. Es wird immer nur gerechtfertigt was das Zeug hält, oder wie im Fall von Erziehungsbuchautorin Nora Imlau, klopft man sich laut und öffentlich auf die eigene Schulter, dass man ja eh bischen mehr tut als andere, und dass das ja auch reichen sollte.

Schuld und Sühne

Und auch hier habe ich durchaus Verständnis. Wir kriegen es ja von klein an beigebracht, dass etwas getan haben mit Schuld einhergeht und Anerkennung dessen, was wir getan haben, auch Schuldanerkennung ist. Und wer will schon hören “Du bist Schuld an meinem Leid!”? Doch das ists, was Eltern hören, wenn ihre Kinder drüber sprechen wollen welche Schäden ihre Erziehung bei ihnen angerichtet hat, welche Wunden sie geschlagen hat und womit wir bis ins hohe Alter zu kämpfen haben werden. Wir wissen genau, dass sie das in den meisten Fällen nicht absichtlich getan haben, oder oft sogar aus absolut lauteren Motiven. Geschadet hat es uns nur trotzdem, und mit der Schuld wird auch die Anerkennung abgelehnt, die wir so dringend brauchen.

Was wir nämlich mehr als alles andere wollen ist, dass wir in der gleichen Realität leben können, auch wenn die etwas trauriger ist als die geschönte Version in der Eltern eh alles richtig gemacht haben. Wir wollen, dass das Leid das wir erfahren haben und die Wunden mit denen wir uns rumschleppen anerkannt werden, statt geleugnet und wegdiskutiert. Denn wenn das passiert, dann wissen wir, dass wir nie als ganze Menschen gesehen werden, dass relevante Teile von uns geleugnet und ausgeblendet werden.

Schuld interessiert uns eigentlich nur dann, wenn irgendwas mit Absicht oder aus Bequemlichkeit getan wurde. Aber wir können unsere Eltern nicht therapieren um ihnen zu helfen diesen Unterschied zu erkennen und mit ihren eigenen Gefühlen ins Reine zu kommen, auch wenn wir es oft versuchen und uns damit noch tiefer ins Unglück stürzen. Und kleine Kinder können das schon gleich zehn mal nicht. Darum müssen Erwachsene das Mahnen und Aufklären übernehmen, und (werdende) Eltern müssen uns zuhören.

Egal wie hilflos Eltern sein mögen, ihre Kinder sind immer noch hilfloser, noch verletzlicher und dürfen schlicht nicht für ihre Eltern geopfert werden. Hört auf jene, die es schon durchgemacht haben, und setzt das Kindeswohl über eure Versagensängste und euren Stolz, auch wenn sie trans sind.

** Update **

Im Laufe des Tages hat uns Nora Imlau entblockt. Über eine Ecke hieß es, das sei sowieso nur ein Versehen gewesen, eigentlich wollte sie nur muten.
Wäre das Blocken das einzige Problem gewesen wäre das ja schön gewesen. Aber allein, dass sie uns so ungefragt und unnötigerweise eine cisfragile Selbstbeweihräucherung hinhaut, die einfach alles ignoriert oder missachtet was vorher von Betroffenen geschrieben wurde bleibt starkes Fehlverhalten. Dass sie dann auch noch beschließt, dass man es ihr nicht zumuten kann Anworten darauf lesen zu müssen egal ob jetzt mit Block oder Mute, setzt dem ganzen noch die Krone auf.

Ich habe die Gelegenheit jedoch genutzt sie direkt zu konfrontieren:

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Cat Harsis

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